Derzeit können am Arbeitsplatz vier verschiedene Generationen aufeinandertreffen – die Babyboomer, die GenX, die Millennials und die GenZ. Schon bald entert die Generation Alpha den Arbeitsmarkt. Und es vergeht kaum ein Tag, an dem vermeintliche Generationskonflikte nicht medial ausgeschlachtet werden. Der praktische Nutzen dieser ewig-gleichen Abhandlungen für die Arbeitswelt: gleich null. Wenn wir das Thema Altersdiversität konstruktiv angehen wollen, müssen wir bei uns selbst anfangen. Und gerade im HR-Bereich lang gelebte Denkmuster durchbrechen. Ich bin überzeugt: Wir können aus der Diskussion um Alt und Jung viel mehr herausholen. Wenn wir bereit sind, nicht zu allem immer sofort eine Meinung zu haben. Sondern zunächst Fragen stellen.
Warum soll es den Jungen nicht besser ergehen?
In den 1950er-Jahren waren in der Schwerindustrie 48 Arbeitsstunden pro Woche völlig normal – verteilt auf 6 Arbeitstage. Und wir sprechen hier nicht von Bürojobs, sondern von körperlich harter Arbeit am Hochofen oder im Bergbau. Erst die Gewerkschaftskampagne „Samstags gehört Papi mir“ brachte in den 1960ern den freien Samstag. Zu großen Produktivitätseinbußen hat das nicht geführt. Das ständige Streben nach Verbesserung sollte die Handlungsmaxime aller Personalverantwortlichen sein – und nicht die Blockade von Wandel.
Wie nutzen wir das neue Selbstvertrauen der Arbeitnehmenden?
Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Weg von einem Arbeitgebermarkt, auf dem Bewerbende gerne mal monatelang geghostet wurden. Hin zu einem Arbeitnehmendenmarkt, auf dem Arbeitnehmende offensiv Ansprüche einfordern. Oft wird das auf die vermeintlich aufmüpfige GenZ geschoben – es ist aber ein konjunkturelles Thema, das auch durch den Fachkräftemangel bedingt ist. Und dieses neue Selbstbewusstsein der Arbeitnehmenden sollten wir nutzen. Und statt Vorschläge für die Gestaltung der zukünftigen Arbeit gleich abzublocken, sollten wir sie ernst nehmen, prüfen und gegebenenfalls in die Praxis überführen. Genau das ist die Kernaufgabe von Personalverantwortlichen.
Wären flexiblere Arbeitszeitsysteme nicht auch ein Instrument, um das Senioritätsprinzip – je älter die Arbeitnehmenden, desto höher die Lohnkosten – zu durchbrechen?
Warum nicht mit 50, wenn das Haus abbezahlt und der Nachwuchs aus dem Haus ist, ein Jahr Auszeit nehmen, die Arbeitszeit reduzieren? Oder die Menschen gleich nach Geldbedarf bezahlen? Der ist in der Mitte des Lebens am höchsten, nicht danach. Noch traut sich an dieses Thema kaum jemand heran, aber die demografische Entwicklung wird vermutlich auch diese Fragen irgendwann provozieren. Ich möchte keinen Shitstorm auslösen, aber lassen wir den Gedanken einfach nur mal zu: Die Älteren verdienen weniger, die Jüngeren mehr – könnte das für Eltern, die heutzutage ihre Kinder weit über ihr Studium finanziell unterstützen müssen, nicht auch ein guter Deal sein? Weil es beispielsweise die Unabhängigkeit beider Seiten stärkt? Über solche Modelle, die den Einzelfall genau unter die Lupe nehmen, müssen Unternehmen zunehmend nachdenken.
Sollten wir den Ruf nach Remote Work oder Vier-Tage-Woche nicht einfach als Flexibilisierungswunsch verstehen?
Oft verstehen wir neue Formen der Arbeit nicht als Ressource, sondern als Bedrohung. Dabei zwingt uns der Fachkräftemangel geradezu dazu, kreativer und flexibler zu werden – und flexibles Arbeiten als Ressource zu betrachten: Wenn Kinder klein sind und Arbeitnehmende, vornehmlich Frauen, angesichts mangelnder Kitaplätze, verhindern wollen, in die Teilzeitfalle zu tappen. Oder Angehörige gepflegt werden müssen. Die Gründe sind hochindividuell und haben mit dem Alter nichts zu tun.
Angesichts dieser Herausforderungen frage ich mich selbst immer wieder: Wenn wir klassische Fragen der Lebens- und Arbeitsgestaltung immer wieder auf das Alter reduzieren, diskutieren wir dann nicht meilenweit am Problem vorbei?