Am Thema Gehalt führt kein Weg mehr vorbei: Mit der EU‑Entgelttransparenzrichtlinie von 2023 und dem seit 2017 geltenden deutschen Entgelttransparenzgesetz sind Unternehmen verpflichtet, ihre Vergütungsstrukturen systematisch zu überprüfen und offenzulegen. Entgelttransparenz ist dabei kein Selbstzweck, sondern der zentrale Hebel für faire und zukunftsfähige Vergütungssysteme.
Mit dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) hat der Gesetzgeber bereits 2017 einen wichtigen Schritt in Richtung fairer Bezahlung eingeleitet. Sein zentrales Ziel: die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen und gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit sicherzustellen.
Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, ihre Vergütungsstrukturen transparent zu gestalten – nicht als bürokratische Pflicht, sondern als Instrument, um bestehende Ungleichbehandlungen sichtbar zu machen und aktiv zu beseitigen.
Mit der EU‑Entgelttransparenzrichtlinie von 2023 haben sich die Anforderungen nochmals deutlich verschärft: Unternehmen müssen nicht mehr nur Transparenz ermöglichen, sondern aktiv nachweisen, dass ihre Vergütungssysteme diskriminierungsfrei sind.
Grundlagen – Entgelttransparenzgesetz (Deutschland, 2017)
Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) legt die Basis für faire Vergütung in Deutschland.
Kernpunkte:
- Auskunftsanspruch (§ EntgTranspG):
Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeiter:innen haben das Recht zu erfahren, wie viel Kolleginnen oder Kollegen des anderen Geschlechts in einer vergleichbaren Position im Durchschnitt (Median) verdienen.
Dies umfasst:
- Grundgehalt
- Boni
- Zulagen
Arbeitgeber sind verpflichtet, diese Anfragen innerhalb von 3 Monaten zu beantworten. Wichtig: Beschäftigte dürfen keine Nachteile oder Sanktionen erfahren, wenn sie von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch machen. Zudem können betriebliche Interessenvertretungen (z. B. Betriebsrat oder Personalrat) in die Beantwortung der Anfragen eingebunden werden.
- Prüfverfahren (freiwillig): Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden werden aufgefordert, Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit einzuführen.
- Berichtspflicht: Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden, die nach dem HGB zur Lageberichterstattung verpflichtet sind, müssen alle zwei Jahre einen Bericht zu Maßnahmen der Entgeltgleichheit vorlegen.
- Klagemöglichkeit (§ 15 EntgTranspG):
Beschäftigte haben das Recht, ihre Ansprüche auf gleiche Bezahlung gerichtlich durchzusetzen. Im Falle einer Klage liegt die Beweislast beim Arbeitgeber: Das Unternehmen muss nachweisen, dass keine geschlechtsbezogene Benachteiligung vorliegt und die Vergütungsstruktur diskriminierungsfrei gestaltet ist. - Diskriminierungsverbot (§ 7 EntgTranspG): Arbeitgeber dürfen Beschäftigte nicht aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich bezahlen. Wird dennoch eine geschlechtsbedingte Ungleichbehandlung festgestellt, können betroffene Mitarbeiter:innen Schadensersatzansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend machen.
Wichtig: Das Diskriminierungsverbot (§ 7 EntgTranspG) betrifft jedoch alle Arbeitgeber – unabhängig von der Unternehmensgröße.
Das heißt:
- Kein Unternehmen – ob mit 5, 50 oder 500 Beschäftigten – darf Arbeitnehmer:innen aufgrund ihres Geschlechts bei der Bezahlung benachteiligen.
- Dieses Verbot stützt sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und den Grundsatz der Entgeltgleichheit nach Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV).
- Auch wenn in kleineren Unternehmen kein Auskunftsanspruch besteht, können Beschäftigte eine Gleichbehandlungsbeschwerde einreichen oder ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen.
Fazit:
Alle Arbeitgeber müssen gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit sicherstellen – unabhängig von der Unternehmensgröße.
EU-Richtlinie 2023/970 – Die wichtigsten Neuerungen und Fristen
Die EU-Lohntransparenzrichtlinie 2023/970 wurde im Juni 2023 verabschiedet und muss bis 7. Juni 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden. Sie verschärft die bisherigen Pflichten:
- Umgekehrte Beweislast: Unternehmen müssen nachweisen, dass sie keine geschlechtsbezogene Diskriminierung bei der Bezahlung vornehmen.
- Pflicht zur Vorab-Transparenz: Bereits in Stellenanzeigen müssen Gehaltsspannen veröffentlicht werden.
- Verbot von Gehaltsverschwiegenheitsklauseln: Mitarbeitende dürfen ihr Gehalt offenlegen.
- Regelmäßige Gender-Pay-Gap-Berichte:
- Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden müssen alle 3 Jahre Bericht erstatten.
- Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden müssen jährlich Bericht erstatten.
- Abweichungen > 5 %: Wenn eine unerklärliche Lohnlücke von mehr als 5 % besteht, sind Unternehmen verpflichtet, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern eine Analyse und Maßnahmen zur Beseitigung durchzuführen.
- Sanktionen: Mitgliedsstaaten müssen wirksame Bußgelder festlegen. Es drohen zudem Schadensersatzansprüche von Mitarbeitenden.

Für HR und Führungskräfte reicht es nicht mehr aus, lediglich auf Anfragen zu reagieren. Sie müssen proaktiv Strukturen schaffen, um:
- Gehaltsentscheidungen nachvollziehbar zu machen,
- Risiken zu minimieren und
- Compliance-Anforderungen zu erfüllen.
Mit der kommenden EU-Lohntransparenzrichtlinie (Umsetzung bis 2026) wird die Beweislast umgekehrt: Unternehmen müssen künftig aktiv nachweisen, dass sie fair bezahlen. Wer sich frühzeitig vorbereitet, verhindert nicht nur potenzielle Sanktionen, sondern stärkt auch die eigene Wettbewerbsfähigkeit als Arbeitgeber.
Recruiting & HR-Prozesse: Praktische Änderungen, Risiken und Chancen
Die EU‑Entgelttransparenzrichtlinie verändert nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen, sondern wirkt direkt in die tägliche HR‑Arbeit hinein. Unternehmen müssen künftig in mehreren Bereichen aktiv werden:
Stellenanzeigen erfordern die Veröffentlichung von Gehaltsspannen, Vergütungsstrukturen werden durch klar definierte Gehaltsbänder nachvollziehbarer, und HR‑Abteilungen müssen Reporting‑Tools zur Analyse des Gender‑Pay‑Gaps etablieren. Ergänzend dazu sind Schulungen für Führungskräfte notwendig, damit faire Vergütung und lückenlose Dokumentation sichergestellt werden können. Gleichzeitig steigt die Bedeutung einer sauberen Nachweisführung, um im Fall von Klagen oder Prüfungen gewappnet zu sein.
Die Risiken einer verspäteten Umsetzung sind erheblich: Neben rechtlichen Konsequenzen wie Bußgeldern oder Schadensersatzforderungen drohen Reputationsschäden und ein erheblicher administrativer Mehraufwand.
Doch wer die neuen Anforderungen proaktiv umsetzt, kann daraus klare Vorteile ziehen: Transparente Vergütungssysteme stärken das Employer Branding, fördern die Mitarbeiterbindung und verschaffen einen Wettbewerbsvorteil im Recruiting. Zudem sichern sich Unternehmen frühzeitig die nötige Compliance, wenn die Richtlinie verbindlich wird – und schaffen damit die Basis für nachhaltige Fairness und Vertrauen.
Gehaltstransparenz vs. Privatsphäre: Wo liegt die Grenze?
Der Datenschutz ist ein zentraler Bestandteil des Entgelttransparenzgesetzes, weil bei Gehaltsauskünften und Berichten personenbezogene Daten verarbeitet werden. Du musst also Transparenzanforderungen und Datenschutzvorgaben miteinander in Einklang bringen.
Grundsätze:
- Beschäftigte haben Anspruch auf Auskunft über das Durchschnittsgehalt einer Vergleichsgruppe – nicht auf die Gehälter einzelner Kolleg:innen.
- Gehaltsauskünfte dürfen daher nur anonymisierte Daten enthalten.
- Eine Auskunft ist erst möglich, wenn die Vergleichsgruppe mindestens sechs Personen umfasst.
- Es werden ausschließlich Medianwerte angegeben, keine individuellen Gehälter.
- Auch für die Entgeltberichterstattung dürfen nur anonymisierte und aggregierte Daten verwendet werden.
- Gehaltsangaben in Stellenanzeigen sollten auf einem standardisierten Gehaltsframework beruhen, das keine Rückschlüsse auf Einzelgehälter zulässt.
Gehaltstransparenz in kleinen Unternehmen
In kleineren Unternehmen mit wenigen Mitarbeitenden kann es schwieriger sein, datenschutzkonforme Transparenz zu schaffen – aber es ist machbar. Entscheidend ist, ein faires und nachvollziehbares Gehaltssystem zu entwickeln, das zu deiner Unternehmensgröße und -kultur passt.
Praxis-Tipps:
- Gehaltsstufenmodell einführen:
- Stufe 1: Junior-Level → 40.000–50.000 €
- Stufe 2: Mid-Level → 50.000–65.000 €
- Stufe 3: Senior-Level → 65.000–85.000 €
Kriterien für Gehaltsentwicklungen können Erfahrung, Qualifikation oder Leistung sein – wichtig ist, dass sie klar und fair definiert werden.
Benchmarks nutzen:
Bei sehr kleinen Abteilungen können abteilungsübergreifende Vergütungsstufen oder Gehaltsbenchmarks pro Fachbereich helfen, Datenschutz zu wahren und dennoch Transparenz zu schaffen.
Übrigens: Allgemeine Verschwiegenheitsklauseln zu Gehältern sind nach deutschem Recht unzulässig. Das liegt vor allem am Entgelttransparenzgesetz und der künftigen EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Zulässig ist jedoch, dass Arbeitgeber Vertraulichkeit für bestimmte betriebliche Geschäftsgeheimnisse verlangen – zum Beispiel bei Preiskalkulationen oder strategisch relevanten Bonusregelungen. Einzelne Gehaltsbestandteile können darunterfallen, aber eine generelle Pflicht zur Gehaltsverschwiegenheit ist rechtlich unwirksam.
Fazit:
Mit klaren Gehaltsstufen, objektiven Kriterien und anonymisierten Durchschnittswerten lässt sich auch in kleinen Unternehmen Gehaltstransparenz herstellen – ohne Datenschutzprobleme und mit mehr Vertrauen bei den Mitarbeitenden.
Mehr dazu hier: https://www.upyu.de/Freelancing-Wissen/HR-Wissen-/WhitepaperEntgelttransparenzgesetz







