Vielen Dank liebe @Selina für das tolle Interview!
Was meint ihr zu den aktuellen Herausforderungen in Recruiting?
Schreibt’s gerne in die Kommentare.
Es war mir eine Freude, @Steve
Vielleicht möchte die ein oder andere Person, die sich zu Recuriting Themen in unserem HR Think Tank in der letzten Zeit ausgetauscht hat, teilen welche Herausforderungen Euch gegeben bzw. welche Neuerungen für Euch spannend sind oder sein werden.
@Navigator, @Angelika_Rems-Murr-Kreis, @D_Madre, @theNew und @Stefan Milosavljevic haben sich ihr “Talentgewinnung” Abzeichen verdient, in dem sie sich hier über aktuelle Stellenbeschreibungen ausgetauscht haben.
Was ist bei einer aussagekräftigen Stellenbeschreibung wichtig, was hat sich da in den letzten Jahren getan?
Zum Thema Jobbörsen haben sich @Navigator, @sissi Kistner, @RueVe, @SarahHen und @Angelika_Rems-Murr-Kreis vor einiger Zeit ausgetauscht, wie schwierig es sein kann, die richtigen Bewerbenden zu finden.
Wie kommt Ihr an die richtigen Leute für Eure Unternehmen und wie kann ein Recruiting Prozess heutzutage aussehen?
Ich freue mich sehr mehr über Eure Erfahrungen zu hören!
Hallo Selina,
ich habe jetzt lange überlegt, ob ich mich überhaupt hier zu Wort melden kann.
Denn meine letzte Recruiting-Erfahrung (auf Seiten des AG) ist nun auch schon knapp 3 Jahre her, und lag damit noch in Corona-Zeiten, welche das alles etwas verzerrt hat. Insofern bin ich mir sicher, drückt heute der Schuh an ganz anderen Stellen als damals.
Dennoch:
Was ich - sozusagen von der Seitenlinie aus - die letzten 3 Jahre beobachten konnte, ist das oftmals gerade die Fachbereiche gar nicht wirklich wissen, was sie eigentlich suchen. Die Erwartungshaltung ist völlig übertrieben oder nicht der Stelle angemessen. Somit muss HR hier erstmal kritisch hinterfragen, um das Profil zu identifizieren und dann auch eine Stellenanzeige aufsetzen, die die richtigen Kandidaten anspricht.
Beispiel zum ersten Punkt: Meine aktuelle Firma hat vor kurzem eine Position zu besetzen gehabt. Ein halbes Jahr lang wurde gesucht nach einer Fachkraft mit 5 - 10 Jahren Berufserfahrung in einem sehr spezialisierten Feld. Erfolg? 0,0
Auf Empfehlung der Kolleginnen wurde dann das Profil “aufgeweicht” bzw. das Aufgabengebiet kritisch hinterfragt und umgestellt. Effekt war, die Stelle wurde innerhalb von knapp 3 Wochen mit einer Junior-Bewerberin besetzt, und der Fachbereich ist mehr als happy damit.
Was ich damit sagen will (als Recruiting-Laie): Ich glaube, die Herausforderung liegt darin, zu verstehen, was braucht mein Fachbereich wirklich, wo und wie finde ich diese Kandidaten und dann aber auch eine aktive Begleitung des Fachbereichs zu gewährleisten (und damit meine ich keine Bevormundung, das geht nach hinten los), die richtige Message zu transportieren ohne den Eindruck zu erwecken, man sucht nun eine Notlösung.
Am Ende kommt man doch immer wieder zurück zum vielgerühmten “hire for attitude, train for skill” Ansatz. Und das ist aus meiner Sicht die große Veränderung. “Damals”, 2017/2018, konnte ich im Recruiting noch den Fokus auf Skills legen, da auch eine Auswahl an Kandidaten möglich war, aus denen ich dann die richtige Attitude auswählen konnte. Heute wird der Ansatz kaum noch Erfolg bringen.
Viele Grüße
Dominik
@D_Madre da kann ich mich dir nur anschließen!
Häufig kommen Fachbereiche mit einer „fertigen“ Stellenbeschreibung auf uns zu. Das ist, als würde man zu einem Architekten gehen und sagen: “Also wir wollen folgendes Gebäude bauen. Ich habe schon alles bei den Lieferanten bestellt, du musst es nur noch zusammenbauen.“ - Gut gemeint ist halt nicht immer gleich gut gemacht.
Solche Stellenbeschreibungen sind oft wenig aussagekräftig, vermitteln ein unrealistisches Bild der berühmten eierlegenden Wollmilchsau oder sprechen unsere Zielgruppe nicht richtig an. Unser Ansatz als Recruiter ist daher, den gesamten Recruiting-Prozess zu steuern und nichts dem Zufall zu überlassen. Das beginnt damit, dass wir gemeinsam mit den Hiring Managern festlegen, wer welche Aufgaben übernimmt – im Idealfall konzentriert sich der Hiring Manager auf die richtigen Fragen im fachlichen Interview und die finale Entscheidung, wen wir einstellen wollen. Ist die Rollenverteilung geklärt, startet der Prozess nicht mit einer Stellenbeschreibung, sondern mit einer gründlichen Anforderungsanalyse und der Erstellung einer Candidate Persona.
Wie du sagst, ist dabei die Balance zwischen Unterstützung und Bevormundung eine echte Herausforderung. Du merkst aber relativ schnell ob du hier auf dem richtigen Weg bist. Fragt dich der Fachbereich bei den nächsten offenen Positionen direkt selbst um deinen Rat, wirst du definitiv als wertvolle Unterstützung wahrgenommen.
Stichwort Stellenbeschreibung: Da möchte ich dich, Steve, gerne mal um deine Meinung bitten :)
Machst du bzw. hast du die Erfahrung gemacht, dass Stellenbeschreibungen tatsächlich auch angepasst / überarbeitet werden oder werden diese nur 1:1 abgenickt?
Also gerade bei Nachbesetzungen habe ich den Eindruck, dass sich Fachbereiche nicht unbedingt Mühe machen, Dinge zu hinterfragen und anzupassen sondern dass die Stelle wirklich 1:1 nachbesetzt werden soll, obwohl sich diese organisch entwickelt hat und mit der ursprünglichen Stellenbeschreibung auf dem Papier nicht mehr viel gemeinsam hat.
Kannst du das bestätigen oder ist das ein Einzelfall bei mir? Falls ja, wie schaffst du es, den Fachbereich zur Überarbeitung zu ermutigen, und dabei die eierlegende Wollmilchsau zu vermeiden?
Ist das Druck, Einfühlungsvermögen oder einfach “nur” kollegiale Zusammenarbeit (die sich entwickeln muss)?
Stichwort Stellenbeschreibung: Da möchte ich dich, Steve, gerne mal um deine Meinung bitten :)
Machst du bzw. hast du die Erfahrung gemacht, dass Stellenbeschreibungen tatsächlich auch angepasst / überarbeitet werden oder werden diese nur 1:1 abgenickt?
Also gerade bei Nachbesetzungen habe ich den Eindruck, dass sich Fachbereiche nicht unbedingt Mühe machen, Dinge zu hinterfragen und anzupassen sondern dass die Stelle wirklich 1:1 nachbesetzt werden soll, obwohl sich diese organisch entwickelt hat und mit der ursprünglichen Stellenbeschreibung auf dem Papier nicht mehr viel gemeinsam hat.
Kannst du das bestätigen oder ist das ein Einzelfall bei mir? Falls ja, wie schaffst du es, den Fachbereich zur Überarbeitung zu ermutigen, und dabei die eierlegende Wollmilchsau zu vermeiden?
Ist das Druck, Einfühlungsvermögen oder einfach “nur” kollegiale Zusammenarbeit (die sich entwickeln muss)?
Lieber @D_Madre , da sprichst du einen der größten Fallstricke im Recruiting an. Leider habe ich diese Beobachtung auch schon oft gemacht: Der Fachbereich möchte eine Stelle schnellstmöglich nachbesetzen und fordert das HR oder Recruiting-Team auf, einfach die alte Stellenbeschreibung von vor einem Jahr zu verwenden, um keine Zeit zu verlieren. Die Lücke soll schließlich schnell gefüllt werden.
Es ist tatsächlich herausfordernd, den Fachbereich dazu zu bewegen, zumindest eine kurze Anforderungsanalyse durchzuführen – besonders bei Teams, die ohnehin unter hohem Zeitdruck stehen. Dennoch gibt es kurz- und langfristige Wege, dieses Ziel zu erreichen. Hier ein paar Ansätze:
Kurzfristige Maßnahmen:
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Vermittle, dass die Anforderungsanalyse keine vollständige Neuerstellung bedeutet: Auf bestehenden Stellenbeschreibungen und eventuell einer früheren Anforderungsanalyse kann aufgebaut werden, was das Gespräch erheblich verkürzt.
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Teile bereits in der Terminanfrage die Themen der Anforderungsanalyse, damit sich der Fachbereich vorab Gedanken machen kann und weiß, dass du nicht bei 0 anfängst:
- Wie hat sich die Stelle in den letzten Monaten verändert?
- Warum hat der/die bisherige Stelleninhaber/in die Position verlassen?
- Muss die Position angepasst werden, um eine nachhaltige Nachbesetzung sicherzustellen?
- Welche zukünftigen Herausforderungen erwarten den/die neue Stelleninhaber/in?
- Welche Anforderungen sind unverzichtbar und wo können wir flexibel sein?
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Betone die Dynamik des Arbeitsmarktes: Weise darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt schnell verändert und wir mit veralteten Argumenten nicht erfolgreich sein werden. Nur durch eine aktuelle Anforderungsanalyse können wir sicherstellen, dass die Stellenbeschreibung die richtige Zielgruppe anspricht und wir passende Bewerber anziehen.
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Erkläre den Mehrwert einer Anforderungsanalyse: Die Stellenbeschreibung ist nur ein Teil des Outputs. Die Analyse hilft dir auch, eine zielgerichtete Vorauswahl zu treffen, AGG-konforme Absagen zu formulieren und den Job glaubhaft und ansprechend an Kandidaten zu kommunizieren.
Langfristige Maßnahmen:
- Positioniere dich als Berater im eigenen Unternehmen: Zeige dem Fachbereich, dass du mehr als nur eine Schnittstelle bist, indem du deine fachliche Einschätzung teilst, Vorgaben kritisch hinterfragst und aufzeigst, wie dein Plan und deine Strategie aussehen. Schaffe Transparenz, indem du die Reaktionen der Bewerber auf die Stelle teilst. So wirst du als verlässlicher Partner wahrgenommen und im Prozess frühzeitig eingebunden.
Wenn der Fachbereich dennoch kein Einsehen hat und keine 30 min für dich opfern kann, empfehle ich auf die oben genannten Themen hinzuweisen und fest zu vereinbaren, dass man erstmal eine Wochen lang mit der alten Stellenbeschreibung probiert und ihr euch in in einer Woche trefft, um zu evaluieren was dabei rumgekommen ist. Zu 99% wirst du in so kurzer Zeit keine passenden Bewerbungen erhalten. Dennoch verlierst du durch diese Vereinbarung nicht zu viel Zeit, kannst am Ende sagen “ich habs ja gesagt ;-)” und so als auch langfristig deine beratende Rolle stärken.